Elektromobilität

Die Elektromobilität im Nahverkehr/ ÖPNV hat sich bisher auf Ballungsräume und größere Städte konzentriert. Der Landkreis Nordhausen verfügt seit August 2020 über die größte Elektrobusflotte im ländlichen Raum Thüringens. Insgesamt werden bis Herbst 2020 sechs Elektrobusse des Typs Sileo S12 und die dafür benötigte Infrastruktur beschafft. Insgesamt werden 6,2 Millionen Euro, mit einem Fördermittelanteil in Höhe von 4,9 Millionen Euro aus dem Programm CO2-arme Mobilität in Thüringen des Freistaats Thüringen investiert.

EU-Vorgaben zu emissionsfreien Fahrzeugen im ÖPNV

Die neue „Clean Vehicle Richtlinie“ der EU setzt klare Ziele für die Beschaffung emissionsfreier Fahrzeuge im ÖPNV:

  • Bei der Direktvergabe von Verkehrsleistungen müssen bis 31.12.2025, 45 % aller Fahrzeuge „saubere Fahrzeuge“ und davon allein wiederum 50 % emissionsfrei sein.
  • Bei der Direktvergabe von Verkehrsleistungen müssen bis 31.12.2030, 65 % aller Fahrzeuge „saubere Fahrzeuge“ und davon allein wiederum 50 % emissionsfrei sein.
  • Die EU definiert „saubere Fahrzeuge“ als mit Biokraftstoff, synthetisch und paraffinhaltigen Kraftstoff, Ergas (einschließlich Biomethan, CNG, LNG und LPG) angetriebene Fahrzeuge.

Die Verkehrsbetriebe Nordhausen GmbH (VBN) betreiben neben drei Straßenbahnlinien eine Busflotte von 46 Fahrzeugen, von denen 12 Fahrzeuge hauptsächlich auf den acht Stadtverkehrslinien und 34 Fahrzeuge hauptsächlich im Regionalverkehr eingesetzt werden.

Vorgaben zur Einführung der Elektromobiliät

Im April 2018 erfolge die Anpassung des Öffentlichen Dienstleistungsauftrages 2018 – 2032, damit E-Busse im ÖPNV der Stadt und des Landkreises Nordhausen eingesetzt werden können. Konkret haben Stadtrat und Kreistag Nordhausen die folgenden Vorgaben für die Elektromobilität gemacht:

  • Zur Erhöhung der Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ist die Einführung von E-Bussen anzustreben, Voraussetzung dafür ist eine Mindestreichweite der E-Busse von mehr als 200 km (inkl. Heizung bzw. Klimatisierung).
  • Bei jeder Fahrzeugbeschaffung sind die Investitionskosten, die Betriebskosten und die Umweltverträglichkeit zwischen E-Bussen und konventionellen Fahrzeugen zu vergleichen.
  • Eine Einführung bzw. ein Wechsel zu E-Bussen soll immer dann erfolgen, wenn Investitionskosten (abzüglich Fördermittel), Gesamtkosten des Betriebs und die Umweltbelastungen auf oder unter dem Kostenniveau konventionell angetriebener Fahrzeuge im gleichen Nutzungszeitraum liegen.

Anschließend hat der Landkreis Nordhausen die VBN beauftragt, innerhalb des Landkreises Nordhausen in zwei Projekten auf Regional- und Stadtverkehrsslinien insgesamt sechs Soloelektrobusse (12 m) inkl. Ladeinfrastruktur zum Einsatz zu bringen. Dafür wurden Fördermittel bei der Thüringer Aufbaubank im Rahmen des Programmes „CO2-arme Mobilität in Thüringen – Modellprojekt Elektrobussysteme“ Mittel für den Stadtverkehr und Regionalverkehr beantragt.

Im Sommer 2019 gab es zum finalen Beschaffungsbeschluss für die drei E-Busse des Stadtverkehrs keine Zustimmung im Nordhäuser Stadtrat. Aufgrund dieser kurzfristigen und unerwarteten Entscheidung der Stadt Nordhausen vom Kreistag am 03.09.2020 die Übernahme der drei Fahrzeuge und anteiligen Infrastruktur beschlossen. Damit einher ging die Auswahl weiter Linien für die Elektromobilität.

Linienverlauf

Die VBN bedienen mit ihren Regionalbussen zumeist eben verlaufende Linien in der Goldenen Aue und auch Linien mit anspruchsvollen Höhenprofilen in den Ausläufern des Harzes und der Hainleite. Aufgrund der vom EU-Parlament und Kommission geänderten EU-Richtlinie 2009/33/EU („Green Vehicle Directive“) müssen ab 2025 45 % bzw. 2030 65 % der vorgehaltenen Busse über emissionsfreie Antriebe verfügen. Da die Nutzungsdauer eines Busses im Regionalverkehr bei 14 Jahren liegt, sichert der Beschaffungbeginn in 2019 die Erreichung der EU Vorgaben.

Daraufhin wurden die Linien 20, 23, 24, 291 und der Stadtverkehr Bleicherode als erste Startpunkte für den Ausbau der Elektromobilität ausgewählt. Da diese Linien mit am Markt verfügbaren Elektrobussen bereits heute bedient werden können, zum Teil herausfordernde Höhenprofile aufweisen und hinsichtlich ihres Betriebskonzeptes sowie ihrer Höhenprofile das Gesamtliniennetz im Bedienungsgebiet der VBN repräsentieren.

Hinzu kommt, dass die für die ausgewählten Linien entworfenen Umläufe typische Merkmale des Betriebsablaufs im Regionalverkehr aufweisen. Neben einem geteilten Umlauf mit Pause auf dem Betriebshof weisen die Umläufe auch längere Aufenthaltszeiten an Endhaltestellen auf, sodass sich die Betriebsabläufe deutlich von denen im Stadtverkehr unterscheiden.

Geplant ist, die Erfahrungen beim Einsatz der Elektrobusse hinsichtlich ihres spezifischen Energieverbrauchs (kWh/km) sowie ihres Fahrverhaltens (Antriebsleistung) auf das Gesamtnetz zu übertragen, wobei sowohl die zu bedienenden als auch alle übrigen Linien des Netzes hinsichtlich topographischer Merkmale unterteilt werden.

Mit diesem Projekt wird damit erstmalig im Freistaat Thüringen die fachliche Grundlage für einen flächendeckenden Batteriebusbetrieb im ländlichen Raum gelegt. Wobei mit einer minimalen und schrittweise bei Bedarf zu implementierenden Ladeinfrastruktur typische Einsatzbedingungen für Batteriebusse im Regionalverkehr gespiegelt werden sollen.

Elektrobusse

Elektrobusse

E-Busse haben den Vorteil, rein elektrische Energie für die Traktion sowie teilweise oder vollständig für die Nebenverbraucher einzusetzen. Dabei werden lokal keine Emissionen erzeugt und in Abhängigkeit von der Form der Elektroenergieerzeugung sind rein elektrische Antriebe in hohem Maße klimaschonend. Hinzu kommt, dass elektrische Antriebe deutlich leiser als z. B. Dieselantriebe sind.

E-Busse werden von verschiedenen Busherstellern angeboten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sie vornehmlich für den Einsatz in Städten und einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 80 km/h konzipiert wurden. Die Beförderungskapazität hängt von der Batteriegröße ab, i. d. R. werden jedoch ausreichende Fahrgastzahlen erreicht, diese liegen derzeit jedoch immer noch unter der Kapazität von Dieselbussen. Bei der Ausschreibung der Elektrobusse wird bewusst nicht auf zusätzliche chemische Heizungen gesetzt (Diesel Heizung). So sollen auch beim Betrieb in den kälteren Jahreszeiten keine CO2 Emissionen entstehen.

Ladetechnik

Trotz enormer Fortschritte in der Entwicklung von Batterietechnologien sind E-Busse derzeit und auch noch in absehbarer Zukunft hinsichtlich ihrer Reichweite eingeschränkt. Daraus folgt, dass E-Busse nur mit Umlaufplänen mit geringer bis mittlerer Fahrweite eingesetzt werden können bzw. die Speicher im laufenden Betrieb nachgeladen werden müssen.

Daher wurde zusätzlich ein Ladegerät mit einer Ladeleistung von 75 kW und Steckerladung an der Haltestelle Niedersachswerfen Ost vorgesehen, um während der bis zu 65 min langen Aufenthaltszeiten elektrische Energie nachladen und die Fahrzeuge mit externer Energie heizen zu können. Dadurch wird ein rein elektrischer Betrieb möglich, ohne „Dieselheizung“ möglich.

Für den Betriebshof in Nordhausen werden Ladegeräte mit einer maximalen Ladeleistung von 50 kW vorgesehen, dadurch ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aufwand und Flexibilität gewährleistet. Höhere Ladeleistungen sind in Anbetracht der Einsatzzeiten der Busse nicht notwendig. Die Verbindung der Fahrzeuge mit den Ladegeräten kann über Kabel samt Stecker oder automatisierte Kontaktsysteme erfolgen. Dabei muss ein Abstand zwischen Ladegerät und Fahrzeug von maximal 150 m eingehalten werden.

Besonderheiten im Regionalverkehr

Der Betrieb von Bussen im Regionalverkehr unterscheidet sich vom typischen Stadtbusverkehr nicht nur allein durch die Linienlängen. Im Gegensatz zu Stadtbussen, die zumeist mit kurzen Aufenthaltszeiten (Wendezeiten) an den Endhaltestellen und mit Umläufen ohne Pause auf den Betriebshöfen betrieben werden, sind im Regionalbusverkehr längere Wendezeiten (auch zur Pausengewährung) sowie Umläufe mit Pausen auf Betriebshöfen oder Abstelleinrichtungen nicht unüblich.

Die ausgewählten Umläufe für die Elektromobilität spiegeln die unterschiedlichen Betriebskonzepte wieder. Dabei wurden die Umläufe extra für den Batteriebuseinsatz geplant, indem die Gesamt- bzw. Teilfahrweiten an die technisch möglichen Reichweiten von Batteriebussen angepasst wurden.

Zwar hält sich der damit verbundene Personalmehraufwand für zusätzliche Ein- und Ausrückefahrten in Grenzen, jedoch muss es das Ziel sein, Batteriebusse ohne betrieblichen Mehraufwand ebenso einsetzen zu können wie Dieselbusse.

Ein weiteres Merkmal des Vorhabens ist es daher, schrittweise das Betriebskonzept der Batteriebusse an den Betrieb von Dieselbussen anzupassen, wobei dies auf den Erfahrungen mit dem Einsatz auf den ausgesuchten Linien und den geplanten Umläufen beruhen soll.

Einsparung von Emissionen

Gemäß Lastenheft erfolgt die Umstellung von 6 dieselbetriebenen Solobussen (12m) der Regionalverkehrsflotte durch Fahrzeuge mit batteriebasiertem Elektroantrieb. Die daraus resultierenden CO2-Einsparungen wurden direkt aus den geschätzten Dieselverbräuchen, unter der Annahme einer zu 100 % aus regenerativen Quellen stammenden Elektroenergie berechnet. Die Verbrennung von einem Liter Diesel setzt etwa 2,65 kg CO2 frei. Für die mit deren Erzeugung (Vorkette) verbundenen CO2-Emissionen existieren in der Literatur verschiedene Angaben. Für die Berechnung wurden 0,34 kg CO2 pro Liter Diesel für die Vorkette angesetzt, sodass sich insgesamt 2,99 kg CO2 pro Liter Diesel ergeben. Der Betrieb der umzustellenden Dieselbusse mit Elektroenergie ist demzufolge jährlich mit theoretischen Einsparungen von 118,4 Tonnen CO2 verbunden.